Fachkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Präsentation und Diskussion der Studie „The Systemic Crisis of the Euro – True Causes and Effective Therapies“ von Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas.Begrüßung an die Konferenz vom AKEL Politbüromitglied Neoklis Sylikiotis.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Ich möchte euch meinerseits auf der heutigen Tagung begrüßen. Ich wünsche mir, dass sie als Anstoß eines demokratischen Dialogs in Europa und der EU dient. Nicht nur auf Zypern, sondern überall in Europa erkennt man nach dem Ausbruch der Krise die Unwilligkeit der herrschenden EU-Eliten sich über die Zukunft der Europäischen Union Gedanken zu machen. Weder ist man bereit den Problemen auf den Grund zu gehen, noch sich ernsthaft Gedanken über die Ursachen der Krise zu machen. Die EU-Eliten sind schlicht nicht bereit den Kurs der Europäischen Union zu bewerten und zu ändern.
Leider befinden wir uns in einer Zeit, in der wir nicht mehr auf einfache Lösungen setzen können. Wir müssen den Problemen auf den Grund gehen, die Bürger zur Diskussion einladen, und das wichtigste, wir müssen offen sein für jedwede Lösung. Die heutige Konferenz hat eben genau an die offene Diskussion über die Krise und an die Präsentation von Alternativen zum Ziel.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Die Europäische Union hat sich bewusst für die Vervollkommnung der europäischen (Markt)Integration als Lösung zur Bewältigung der Krise entschieden. Sie hat sich für ein neoliberales Wirtschaftsmodell entschieden, das auf Austeritätspolitik statt Wachstumspolitik gründet. Sie hat sich entschieden den Mitgliedstaaten die Wirtschaftspolitik zu diktieren, statt diese gemeinsam mit den Mitgliedsländern zu koordinieren.
Die wirtschaftliche Integration gründet sich auf eine beispiellose Sparpolitik, Lohnkürzungen, und Kürzungen der Sozialausgaben . Die Memoranda in denen diese Kürzungspolitik festgeschrieben wird, weisen auf den wahren Charakter der Eurozone hin: Absolute Liberalisierung des Marktes, Zerstörung des Sozialstaates, Deregulierung des Arbeitsmarkts, und Ausverkauf des staatlichen Vermögens.
Dieser beispiellose Angriff auf das Recht jedes einzelnen Mitgliedstaates seine Wirtschaftspolitik selbst zu bestimmen, sieht völlig von einem Grundprinzip ab: Jede Ökonomie in der EU und besonders in der Eurozone hat ihre eigene Charakteristika und folgt einem eigenen strategischen Wachstumsmodell. Wenn dies nicht respektiert wird und zugleich nicht durch bestimmte Mechanismen geschützt wird, dann gibt es keine Hoffnung für eine wirkliche Bewältigung der Krise mehr.
Zypern erlebt das gerade. Unsere europäischen Partner haben sich für die Zerstörung einer der beiden wirtschaftlichen Hauptsäulen Zyperns, namentlich des Bankensektors, entschieden.
Noch im letzten November kam die vorherige linke Regierung zu einer provisorischen Einigung mit der Troika für eine Bewältigung der Krise. Es war gerade die Zeit, in der die erheblichen Probleme des zyprischen Bankensektors die Wirtschaft Zyperns in Gefahr brachten. Die Christofias Regierung ging es um die Sicheurng der zyprischen Souveränitätsrechte und des Staatsvermögens, wie auch um eine erträgliche Anwendung von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen. Die zyprische Regierung hatte während der Verhandlungen mit der Troika ein Entwurfspaket vorgeschlagen, das folgende fünf Grundelemente gewährleisten sollte:
- die Ausdehnung des zeitlichen Horizontes für die Haushaltkonsolidierung um ein Jahr, namentlich bis 2016, um die Memorandumsanwendung für die Bevölkerung erträglicher zu machen.
- die Sicherung der zyprischen Souveränitätsrechte im Bezug auf die Verwaltung und Nutzung von Erdgas.
- den Erhalt der automatischen Lohnindexierung und des 13. Gehalts.
- die Ablehnung der von der Troika vorgesehenen Privatisierungen und Enteignungen des Staatsvermögens, und
- das Vermeiden von horizontalen Kürzungen sowie eine gerechte Lastenverteilung zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen je nach ökonomischer Belastungsmöglichkeit.
Seit letztem November hat sich aber die Lage radikal geändert. Inzwischen wurden unerträgliche Maßnahmen für die zyprische Wirtschaft und Gesellschaft eingeführt, so dass sich wir auf einer völlig anderen Grundlage die Diskussionsbasis über eine Veränderung unserer Antworten auf die Krise diskutieren müssen. Angebliche Informationen über Geldwäsche in Zypern, auf die sich bestimmte deutsche und EU-Kreise beriefen, wurden als trojanisches Pferd für härtere Maßnahmen seitens der EU und des IWF, genutzt. Uns ist schon bewusst, dass diese härteren Maßnahmen von Anfang an geplant waren.
Die rechte Anastasiades- Regierung hat am 25. März mit der Eurogruppe eine offizielle Vereinbarung eines „Memorandum of Understanding“ getroffen, die dem zyprischen Finanzsystem einen Todesstoß gab. Die Vereinbarung sah unter anderem vor, dass unversicherte Spareinlagen teilenteignet werden sollten. Zudem sind die Bedingungen des „Memorandums of Understanding“ keine “Rettungsbedingungen” sondern Bedingungen, die sowohl die zyprische Wirtschaft als auch die zyprische Gesellschaft in den Abgrund führen. Das Memorandum führt in einem Teufelskreis zwischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Forderungen, Erpressungen, neuen Kürzungsmaßnahmen und neuen Forderungen. Es scheint sich um eine neue, eine moderne Form der Kolonisation zu handeln, die Zypern jegliche Zukunft nimmt.
Die Partei der Werktätigen, die AKEL, besteht darauf, dass Zypern sich diesem Memorandum verweigern muss, denn die von der Troika auferlegten Politiken und Forderungen bieten der Insel keinen Ausweg aus der Krise. Die Forderungen der Troika sind zudem dazu angehalten die Souveränität unseres Landes zu gefährden. Es ist inzwischen klar, dass sie nicht nur gegen die Ökonomie des Landes richten, sondern auf die Verwaltung und die Nutzung des Erdgases sowie auf eine “schnelle” Lösung der Zypern-Frage
Wir müssen Alternativen finden, obwohl sie für uns für eine kurze Zeit ebenso schmerzhaft sein könnten, wie das Memorandum, nicht zuletzt weil eine bedingungslose Zustimmung zum Memorandum uns stetig neuen Erpressungsgefahren aussetzen würde. Wir sind der festen Meinung, dass es Alternativen gibt, die zwar schwerwiegende Entscheidungen erfordern, aber in der Konsequenz besser sind als das Memorandum.
Eine solche Alternative muss, unserer Auffassung nach, neben dem Ausstieg aus dem Memorandum, drei grundlegende Merkmale haben:
Zuerst muss es eine wirkliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektive geben. Sie muss gewährleisten, dass die Wirtschaft die Grundelemente wie Liquidität im Bankensektor, die Stabilität steuerlicher Rahmenbedingungen und tariflich abgesicherte Arbeitsverhältnisse verfügt. Solche Elemente fehlen dem Memorandum.
Zweitens muss eine alternative Lösung Flexibilität im Umgang mit der Wirtschaftspolitik erlauben. Es ist bekannt, dass das Memorandum keine Abweichung im Bezug auf die Programmziele erlaubt. Da wird die wirtschaftliche Lage Zyperns alle drei Monaten bewertet, und im Fall einer Abweichung werden neue Kürzungsmaßnahmen ergriffen.
Drittens muss eine Alternative sowohl Wachstums- als auch Produktionsperspektiven, die gute Arbeitsplätze schaffen können, eröffnen. Solange die zyprischen Produktionskapazitäten entweder aufgrund von EU-Entscheidungen, oder durch Lohndumping in anderen EU-Ländern zerstört werden, können keine Arbeitsplätze geschaffen werden.
AKEL hat eine Studie in Auftrag gegeben, die zu der Schlussfolgerung kommt, dass unsere einzige Möglichkeit die Krise wirklich bewältigen zu können, eng verknüpft ist mit der Ablehnung des Memorandums. Der Studie zufolge ist eine solche Lösung an den Austritt aus dem Euro gebunden. Unser Ziel ist es diesen Vorschlag mit der zyprischen Regierung, den Parteien und der Gesellschaft zu diskutieren, weil ein solches Projekt auf eine möglichst große Einigkeit zur Konfrontation und den damit verbundenen Herausforderungen setzen muss.
Die Studie analysiert die Erfahrungen aus anderen Defizitländern, enthält Prognosen für die zyprische Wirtschaft und setzt sich mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der EU auseinander. Die Studie kommt zu der Schlussfolgerung, dass ein kontrollierter Austritt aus dem Euro im Rahmen des Internationalen Rechts und nach Verhandlungen mit der EU möglich ist.
Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Lösung sowohl Hoffnung als auch eine wirkliche Perspektive für die zyprische Bevölkerung geben kann, weil:
- es mithilfe einer Abwertung der zyprischen Währung die Wettbewerbsfähigkeit Zyperns gesteigert werden kann.
- die Konzeption und Durchführung der Wirtschaftspolitik wieder den Kompetenzen des eines souveränen Staates obliegen wird
- das wirtschaftliche Model Zyperns, mit einer positiven Entwicklung für alle Wirtschaftssektoren Zyperns, neu aufgestellt werden kann.
- die Fähigkeit des Staates die Staatsschulden zu verwalten, verbessert wird
- die Fähigkeit von Unternehmern und Haushalten ihre Privatschulden zu bezahlen, wiederhergestellt wird
Ich möchte hier betonen, dass die Studie sowohl den Rahmen eines solchen Austritts als auch die Bedingungen, die zu Handlungen in die Richtung eines kontrollierten Austritts aus dem Euro fördern, präsentiert.
Deswegen sind wir auch der Auffassung, dass sowohl Wirtschaftsextperten, als auch die Wissenschaft eine entscheidende Rolle, nicht nur auf Zypern, sondern auch im Ausland, zu spielen haben. Das ist der Grund warum Initiativen wie die Heutige von größter Bedeutung sind.
Ein kontrollierter Austritt Zyperns aus dem Euro wird auch eine internationale Dimension haben. Für den Erfolg dieses Projekts ist internationale Unterstützung und ein internationaler Erfahrungs- und Wissensaustausch unabdingbar. Hier können die linke Parteien eine führende Rolle übernehmen. Sie müssen gemeinsam diese Debatte mit der Öffentlichkeit führen und eine Reaktion aus der EU fordern.
Der Wille der Gesellschaft ist aber das aller wichtigste. Das Volk muss diese Initiative unterstützen. Das ist auch der Grund warum AKEL sich für ein Referendum einsetzt. Die zyprische Bevölkerung muss über einen Euroaustritt entscheiden können.
Liebe Freunde,
Über unseren Alternativenvorschlag hinaus sind wir moralisch verpflichtet, uns um die alltäglichen Schwierigkeiten in der Gesellschaft zu kümmern und Hilfe zu leisten. Wir sind verpflichtet gesellschaftliche Ziele zu setzen und Vorschläge machen. Und dies werden wir weiter tun.
Wir werden weitere Vorschläge in die Debatte bringen, um Wohnraum für alle zu schaffen, um gerade auch Gruppen mit niedrigem Einkommen zu unterstützen, um das Gesundheits- und Bildungssystem zu verbessern, um die Rechte der Beschäftigten zu schützen. Wir werden auch Vorschläge machen, wie Zypern eine mittelfristige Entwicklungsplanung erstellen kann.
Aus diesem Grund werden wir, wird AKEL bereits in nächster Zeit einen umfassenden Vorschlag im Bezug auf ein zyprisches mittelfristiges Wachstumsmodell bis zum Jahr 2020 vorlegen. Über eines muss man sich aber im Klaren sein. Solange sich das zyprische Bankensystem im Todeskampf befindet, und solange Zypern einen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu seinen europäischen Partnern hat, kann das Wachstum nur begrenzt generiert werden. Trotzdem müssen wir jeden Spielraum ausschöpfen.
Wir wissen genau, dass die kommende Zeit nicht einfach werden wird. Wir können aber nicht akzeptieren, dass das Memorandum der einzige Weg einer Krisenlösung präsentiert wird. Deswegen suchen wir gemeinsam mit allen progressiven Kräften Europas nach alternativen Lösungen. Es muss uns um Alternativen gehen, die eine Perspektive für Zypern und die zyprische Bevölkerung eröffnen.